Check-in: Schweizer Hotels reagieren auf die Pandemie
Die Epidemie der letzten zwei Jahre hat die Einstellung zum Reisen verändert und die Tourismusbranche zur Anpassung gezwungen. Andreas Zuleeg, Präsident des Schweizerischen Hotelverbandes HotellerieSuisse, erklärt, wie Hotels der Krise trotzen.
Dieser Inhalt wurde am 22.10.2021 – 10:00 veröffentlicht
„Wie haben die Schweizer das geschafft?“ Ein deutscher Fernsehjournalist hat mich im Februar dieses Jahres gefragt. Dies bezog sich auf die geöffneten Schweizer Skigebiete.
Im November letzten Jahres gab es in unseren Nachbarländern einen Protest, der beschlossen hat, den Wintertourismus massiv einzuschränken oder sogar ganz zu schließen.
Andreas Zolig
Andreas Zuleeg ist seit 2015 Präsident des Schweizer Hotelverbandes HotellerieSuisse. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Hotels Schweizerhof im Bergresort Lenzerheide.
Eingangsende
Politische Führer aus Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich haben sich zusammengeschlossen, um vor einem neuen Coronavirus-Hotspot in Europa zu warnen. Unsere Regierung steht unter starkem Druck. Aber sie ist konstant geblieben – zum Glück die wichtige Wintertourismusbranche der Schweiz.
Das Vertrauen in die Sicherheitskonzepte von Seilbahnen, Bergbahnen, Hotels und Restaurants in der Schweiz hat sich ausgezahlt. Mitten im Winter machten ausländische Medien plötzlich auf das „Schweizer Modell“ aufmerksam. Wie können Menschen, aber auch die Wirtschaft und damit Arbeitsplätze und Unternehmen geschützt werden?
Ich denke, die Schweizer haben ein starkes Eigenverantwortungsbewusstsein. Dies half ihnen in dieser ausserordentlichen Krise, einen praktischen Weg einzuschlagen, nämlich einen „schweizerischen“. Für dieses Vertrauen müssen wir den Behörden danken.
Aber die außergewöhnlichen Herausforderungen der letzten anderthalb Jahre haben in verschiedenen Bereichen als Weckruf und Entwicklungsschub gedient: verstärkte Zusammenarbeit, Kommunikation und Bündelung von Ressourcen und Wissen zur Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen. Über Nacht gewannen große Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit an Bedeutung. Die Notwendigkeit, in der Politik, im Hotelverband und in der Einzelwirtschaft zu arbeiten, wurde akzeptiert.
Von Tag zu Tag mussten wir lernen, mit Teams, Skype und anderen Tools zu kommunizieren. Obwohl die Digitalisierung schon seit einiger Zeit ein Teil der Hotellerie ist, hat es in kurzer Zeit massive Veränderungen gegeben. Die Daten der Gäste mussten gesammelt werden, und vieles, was vorher aufgeschoben wurde, musste sofort erledigt werden.
In unserem Hotel führt die Pandemie – und alle begleitenden Sicherheitskonzepte und -systeme – dazu, dass wir seit Frühjahr unseren Empfang (halb) papierlos organisieren können.
Die Folgen der Pandemie werden die Tourismusbranche auch in Zukunft beschäftigen. Die Digitalisierung wird uns dabei helfen, maßgeschneiderte Pakete anzubieten. Die Angebote werden stärker integriert: von der Ankunft am Flughafen über das Hotelzimmer bis hin zur Erkundung der näheren Umgebung. Ein digitaler Concierge verbessert das Gästeerlebnis und hilft ihnen, Neues zu entdecken.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein häufig verwendetes Schlagwort; Es ist auch die Grundlage jedes erfolgreichen Unternehmens. Kein Unternehmen wird in Zukunft erfolgreich sein, ohne nachhaltig zu wirtschaften, mit sorgsamem Umgang mit Ressourcen und Engagement für gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter sowie ein finanzielles Fundament, um die Zukunft des Unternehmens und die Arbeitsplätze langfristig zu sichern.
Nachhaltigkeit im Tourismus
Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen hat sechs Aktionslinien festgelegt, um eine verantwortungsvolle Erholung des Tourismus zu lenken und sich dabei auf öffentliche Gesundheit, soziale Inklusion, Biodiversität, Klima, Kreislaufwirtschaft, Regierungsführung und Finanzen zu konzentrieren.
Die Schweizer Tourismusbranche hat Anfang des Jahres mit ihrer Kampagne „Swisstainable“ nachgezogen, die sich an den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung ausrichtet.
Die Kampagne belohnt die Akteure der Branche für ihr Engagement für das Programm «Swisstainable» und ermutigt Urlauber, «bewusster zu reisen», die lokale Kultur aufzunehmen, beispielsweise regionale Produkte zu konsumieren und länger zu bleiben.
Die Tourismusbranche hat sich von der Ausrichtung auf Kurzaufenthaltsgruppen entfernt, die in der Vergangenheit an ein oder zwei Tagen viel Geld ausgegeben haben, aber ziemlich davon profitiert haben. Die App und Website Schweiz Mobilität bietet interaktive Karten mit Wander- und Radwegen, im Winter Schneeschuhwanderungen und Langlaufstrassen, mit Unterkünften und öffentlichen Verkehrsmitteln. Es soll die Besucher nicht nur dazu ermutigen, den Besuch zu verlängern, sondern auch, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.
Als klimaneutrales Datum haben die Schweizerischen Bundesbahnen 2030 vor allem dank der Energiegewinnung aus Wasserkraftwerken festgelegt. Die Bahnen geben an, dass erneuerbare Energien bereits 100 % des Strombedarfs für ihre Gebäude und Infrastruktur und 90 % für den Betrieb ihrer Züge ausmachen. Die Rhätische Bahn, die die Südostschweiz inklusive der Bergorte Davos und St. Moritz bedient, fährt seit 2013 ausschliesslich mit Strom aus Wasserkraftwerken.
Das Land verfügt über ein Netz von 19 Parks, die mehr als ein Achtel der Fläche der Schweiz ausmachen. Ziel des Netzwerks «Schweizer Pärke» ist es, die natürlichen Ressourcen zu schonen, eine nachhaltige Entwicklung und die Kultur der Städte und Dörfer innerhalb der Parkgrenzen zu unterstützen. Der Schweizer Nationalpark im Südosten des Landes ist das einzige streng geschützte Wildnisgebiet der Schweiz.
Eingangsende
Gerade deshalb ist es so wichtig, dieses Problem mit größerer Kraft anzugehen. Anfang 2015 hat die HotellerieSuisse eine neue Strategie verabschiedet und Innovation und Nachhaltigkeit in den Fokus der Beherbergungsbranche gestellt. Eine Arbeitsgruppe unter dem Dach des Schweizer Tourismus-Verbandes arbeitet derzeit an einer neuen Nachhaltigkeitsstrategie für die gesamte Schweizer Tourismusbranche und skizziert die notwendigen Massnahmen zur Umsetzung.
Das Reisen wird sich in Zukunft nachhaltig verändern. Die Digitalisierung bedeutet weniger Geschäftsreisen in die Städte. Wie bereits erwähnt, werden Interaktionen und Treffen in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr persönlich stattfinden, sondern eher virtuell. Aus ökologischer Sicht ist diese Entwicklung sicherlich zu begrüßen. Für Tourismus und Fluggesellschaften bedeutet dies jedoch einen massiven Umsatzrückgang und damit einen entsprechenden Abbau von Überkapazitäten. Einige Fluggesellschaften haben bereits beschlossen, ihre Flugzeuge nach der Pandemie nicht mehr auf Langstrecken zu betreiben.
Doch wie verändert sich der Tourismus durch diese Krise – die seit fast zwei Jahren andauert? Es muss gesagt werden, dass einige Änderungen sowieso eingetreten wären. Demografischer Wandel, Digitalisierung und ein gestiegenes Bewusstsein für den Klimawandel waren schon vor Beginn der Krise erkennbar.
Einige dieser Entwicklungen werden sichtbarer und beschleunigt. Sicherheit und Gesundheit werden in Zukunft zum Schlüsselfaktor beim Reisen. Reisende werden mehr Wert auf Ernährung, Bewegung, Schlaf und Entspannung legen. Die Abschwächung wird zu einem Alleinstellungsmerkmal im Tourismus.
Reisende werden nicht schnell irgendwohin reisen, bis sie den Leuten ein Bild von zu Hause zeigen können, wo sie sind; Stattdessen steht das Erlebnis vor Ort im Mittelpunkt – ein stärkeres Bewusstsein für Kultur und Standort. Mitarbeiter werden immer wichtiger. Eine Umfrage des Fraunhofer Instituts ergab, dass 80 % der Gäste einen respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern eines Hotels als sehr wichtig erachten.
Fast 70 % der Insassen legen Wert auf umweltbewusstes Verhalten und über 40 % sind auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Es ist also klar, dass der Tourismus der Zukunft in Richtung Qualität statt Quantität geht. Fünf Städtereisen im Jahr sind nicht mehr nötig. Die Zukunft liegt in bewussterem und nachhaltigem Reisen. Hauptkriterien sind hier das kulturelle Angebot, das kulinarische Angebot mit regionalen und saisonalen Produkten, der sorgsame Umgang mit Ressourcen sowie das begeisterte und gut ausgebildete Personal.
Die Schweiz erfüllt alle Voraussetzungen, um die Anforderungen ihrer aktuellen und zukünftigen Gäste zu erfüllen und sogar zu übertreffen.
Ich bin überzeugt, dass die Schweiz im internationalen Wettbewerb weiterhin mithalten und konkurrenzfähig bleiben wird, sowohl in den Städten als auch in den Bergen.
Der Tourismus konnte aus Krisenzeiten schon immer stark hervorgehen. Als Pioniere im Tourismus beweisen wir dies seit über 150 Jahren.
Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen sind ausschliesslich die des Autors und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von SWI swissinfo.ch wider.
„Kaffeeliebhaber. Leser. Extremer Zombiefanatiker. Professioneller Alkoholanwalt. Lebenslanger Fernsehliebhaber.“